Barrafranca/Provinz
Enna
(Sizilien)
Neben den vielen italienischen
Fellbachern kalabresischer Herkunft stammen zahlreiche Familien aus
dem Städtchen Barrafranca/Provinz Enna im Herzen Siziliens.
Barrafranca erstreckt sich über einen fast ebenen
Hügel, von dem zahlreiche Täler ausgehen.
In der Antike haben diese Täler – vor allem das Tal des Braemi
– gleichzeitg als Verkehrswege gedient.
Im Gebiet des heutigen Barrafranca gab es mit großer Wahrscheinlichkeit
in der Antike das römische Calloniana, eine Ortschaft
an der Straße Itinerarium Antonini. Mit dem Anwachsen
der schon existierenden Siedlung ist der Ort in der Spätantike
bzw. im frühen Mittelalter bezeugt unter dem Namen Convicino.
Über das Territorium von Barrafranca verteilt wurden Zeugnisse
verschiedenen Epochen gefunden: Aus dem Neolithikum, der siculischen
Periode und aus der griechisch - römischen Zeit. Teile davon sind
im Museum Bellomo in Siracusa ausgestellt.
Die Geschichte von Barrafranca
Convicino – Commicino
Das Gründungsdatum von Convicino ist schwer festzustellen,
auch deshalb, weil sich kein Stadtkern feststellen lässt. Die Siedlungen
lagen über das Territorium zerstreut, bestehend aus Anwesen, die
sich dem Ackerbau und der Viehzucht widmeten.
Die Christianisierung der Gegend erfolgte früh durch den Bischof
Pancrazio von Taormina.
Im 6. Jahrhundert ist das Gebiet Eigentum der Benediktiner, ein Geschenk
von Tertullo Amicio an Benedikt von Nursia. Das ist
einer Bestätigung zu entnehmen, die Kaiser Justinian I. im Jahr
538 erstellen ließ. Hier wird der Ort villa comiciana genannt.
Die erste Kirche war San Lio, der Verehrung der Seelen im Fegefeuer
gewidmet. 1956 wurden Reste des Turms gefunden, auf denen byzantinische
Merkmale zu sehen waren. Im Ortsteil Bosco wurden zwei byzantinische
Kapitele gefunden. Die byzantinische Phase dauerte drei Jahrhunderte,
bis dann die arabischen Abbassiden um 669 allmählich ins
Land kamen. Sie zogen das Braemi-Tal herauf bis Pietraperzia
und Enna. Die eigentliche Okkupation erfolgte deutlich später:
827 landete ein großes Heer unter Zyàdeth Allàh
und Eufemio di Messina, der beim östlichen Herrscher Michele
Balbo in Ungnade gefallen war und sich nun rächen wollte.
Im Jahr 859 fiel Enna an die Araber. In dieser Zeit begann
eine Blütezeit für das Braemi-Tal. In dieser Periode wurde
vermutlich im heutigen Barrafranca die Brunnenanlage des Canale
errichtet oder saniert, und es entstanden Gärten mit Palmen und
Orangen.
Die arabische Besetzung dauerte bis ca 1040, dann griff General
Giorgio Maniace an, geschickt vom byzantinischen Herrscher Michele
Paflagone.
Mit der Ankunft der Normannen erhielten die Altavilla
die Macht. 1061 begann Ruggiero I. d’Altavilla mit der
Eroberung mit ca 2000 Mann. Die Normannen strafften die Verwaltung und
führten das Feudalsystem ein.
Eine Schenkung aus dem Jahr 1091 für die Kirche S. Maria della
Valle di Giosaphat nennt einen Girbardus von Comacina,
damit wird der Name seit langer Zeit wieder in einer Urkunde erwähnt.
In dieser Zeit erst kann man von einem ersten wirklichen Ortszentrum
sprechen.
Die Schenkung wird 1122 nochmals bestätigt.
Mit dem Tod des letzten Staufers Konradin 1268 kamen die Anjou
auf die Bühne der Geschichte Barrafrancas; schließlich wurde
Sizilien spanisch unter Federico d’Aragon mit allen Folgen
des lange andauernden Feudalsystems.
Um 1125 wurde in der heutigen Contrada Abate eine Benediktinerabtei
errichtet mit Namen S. Nicolò da Commecini.
Barrafranca
Nach einer langen Periode von Dunkel und Schweigen taucht Convicino
unter dem Marchese Matteo III Barresi wieder auf. In dieser
Zeit lässt sich ein beachtlicher Zufluss an Einwohnern feststellen.
Matteo III Barresi wandelt im Jahr 1529 den Namen Convicino
um in Barrafranca, auch um mit diesem Namen die eingegangenen
Pflichten und Freiheiten zu markieren. Kaiser Karl V. gestand
Matteo das Recht zu, Salzbergwerke einzurichten und auszubeuten.
Um das Jahr 1650 hat Barrafranca etwa 232 Häuser mit insgesamt
1552 Einwohnern.
Den Lebensnerv des Siedlungsagglomerats verkörperte nun die weite
Piazza Balia, wo sich der celeberrima turris convicini
erhob. Um diesen Platz herum gruppierten sich nun die Häuser
und vergrößerten so den Ort. Ab dem 16. Jahrhundert, im Rahmen
allgemeiner Entwicklungen in einem gewandelten historischen Klima, begann
Barrafranca eine geordnetere und offenere Stadtplanung, für die
der Corso Garibaldi und der Corso Vittorio Emmanuele
die Hauptachsen darstellten.
Das große Erdbeben 1693
Im schrecklichen Erdbeben am 11. Januar 1693 wurde Barrafranca aufs
Schwerste verwüstet. Unter den 340 000 Einwohnern Siziliens forderte
das Beben 60 000 Tote. 1694 lässt Bischof Andrea Riggio von
Catania jeden Sonntag um 21 Uhr überall die Totenglocken im
Gedenken an die Opfer läuten. Barrafranca erholte sich aber wieder
relativ bald, erblühte und bevölkerte sich von neuem. Aus
dieser Zeit stammen die meisten noch heute stehenden repräsentativen
religiösen Bauwerke.
Barrafranca im 18. und 19. Jahrhundert
Im Jahr 1753 entsteht in Barrafranca die erste Schule unter dem Schulleiter
Durando Durante. Am 20. März 1844 erhebt Papst Gregor
XVI. Piazza Armerina zur Diözese, zu der künftig
auch Barrafranca gehören wird.
Im Jahr 1848 treibt die Revolution auch Barrafranca um. Ein Freiwilligencorps
wird gegründet.
Im Juli des Jahres soll eine Frau auf der Piazza Batia hingerichtet
werden, weil sie ihre 12jährige Tochter zur Prostitution angehalten
hat Die Frau wird vor der neugierigen Menge ohnmächtig. Die Leute
sind von Mitleid gerührt, jemand ruft um Gnade. Einer der gewählten
Volksvertreter, mag. Ciulla, hebt den Säbel und verhindert die
Hinrichtung.
Als Garibaldi durch Sizilien marschiert, sind 4 Leute aus Barrafranca
unter den Männern der ersten Stunde. Am 26. Mai 1860 marschiert
eine Kolonne neapolitanisch-bourbonischer Truppen Richtung Catania,
richtet in Barrafranca und Pietraperzia Verwüstungen an und tötet
Unschuldige. Sofort schließen sich Freiwillige einem Kontingent
in Piazza Armerina an.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begehren die Landarbeiter (352 Personen)
gegen die Ausbeutung auf den Landgütern auf und gründen eine
Gewerkschaft.
Im Jahr 1875 sind 2,97 % der Bevölkerung Alphabeten.
Das 20. Jahrhundert
Im Jahr 1901 beginnt die Zeit der Emigration. Drei Personen wandern
aus. Im Jahr 1905 sind es schon 270, die nach Nord- und Südamerika
emigrieren. Ihre Geldsendungen bringen dem Ort einen wirtschaftlichen
Aufschwung. Die Mindestlöhne steigen von 90 auf 125 centesimi.
Die Wasserversorgung wurde verbessert, auch wenn noch keine Familie
fließend Wasser im Haus besaß.
Im Jahr 1918 wurde Barrafranca von der Krankheit spagnola heimgesucht.
Eingeschleppt vermutlich durch einen Soldaten aus Palermo auf Hochzeitsurlaub,
forderte die Krankheit 500 Opfer im Ort.
In den schweren Jahren nach dem ersten Weltkrieg tat sich der Sozialist
Alfonso Canzio hervor. Als Vorstand der Liga für die
Verbesserung der bäuerlichen Lebensverhältnisse erreichte
er vieles, was das Leben der Bauernfamilien erträglicher machte.
So konnten sie nun Saatgetreide erhalten bzw. einen Vorschuss auf die
Ernte und viele andere genossenschaftliche Leistungen. Sein Engagement
geriet ins Kreuzfeuer der Mafia; so wurde er am 13.10. 1919 ermordet.
Im Jahr 1921 kam der Pretore (Finanzbeamte) Giuseppe Gerardo Loschiavo
nach Barrafranca. Hier verfasste er das Buch Piccola Pretura,
das 1949 von Pietro Germi unter dem Titel In Nome della
Legge im Stil des Neorealismo verfilmt wurde. Das Buch
erzählte von einem jungen Finanzbeamten, der in einem Dorf vor
der Mauer des Schweigens und der allgegenwärtigen Angst steht.
Es handelte davon, wie Verbrechen ungesühnt bleiben, und von den
Ketten der Blutrache rivalisierender Gruppen. Vieles in seinem Buch
ließ sich unmittelbar in der Situation von Barrafranca wiedererkennen.
Im 2. Weltkrieg erfolgte ein Bombardement der Alliierten am 10. Juli
1943 mit 12 Toten, dann nach dem Einmarsch der Alliierten ein deutscher
Luftangriff mit 49 Toten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine neue Welle der Emigration, nun
vor allem nach Argentinien. Zu Beginn der 60er-Jahre folgte
dann die Emigration nach Frankreich, in die Schweiz
und schließlich nach Deutschland.
Barrafranca heute
In den letzten Jahrzehnten registrierte Barrafranca ein konstantes
Bevölkerungswachstum und eine beachtliche Stadtentwicklung, ermöglicht
durch die Einkünfte der Emigranten. Alleen und Plätze sind
entstanden.
Feste und Traditionen
Für den Touristen sind von besonderem Interesse die zahlreichen
folkloristischen und religiösen Ereignisse, die durch das Zusammenwirken
von Vereinen, Verwaltung und Kirche ermöglicht werden. Viele dieser
Ereignisse folgen dem liturgischen Jahresablauf.
An Weihnachten wird an ausgeschmückten Orten die presepe vivente
(lebendige Krippe)
nachgestellt. Das Fest des Stammvaters Giuseppe wird gefeiert mit der
Darstellung der Flucht nach Ägypten. In der Karwoche kann man an
der A Vasacra teilnehmen (Mittwoch in der Karwoche), einer
theatralischen Darstellung des Kreuzwegs quer durch die Stadt. Stark
verwurzelt in der Volksfrömmigkeit ist die feierliche Prozession
am Karfreitag, genannt U trunu, bei der zahllose Träger
im Wechsel das schwere Tragegestell mit dem gekreuzigten Christus durch
die engen Gassen tragen.(Fotos
dazu). Am Ostersonntag folgt dann die Giunta, bei der sich
Maria und ihr auferstandener Sohn wieder begegnen. Typisch sind die
riesigen Figuren der Apostel auf hohen Gestellen mit hölzernen
Köpfen.
Anlässlich des Patronatsfestes der Maria SS. della Stella*
(8. September) sind bemerkenswert die ritini, das bedeutet:
der Transport des gespendeten Getreides mit reich verzierten Eselskarren.
Unter den anderen nennenswerten Ereignissen sollte man noch den Carnevale
nennen, der die 12 Monate des Jahres als kostümierte Kavaliere
durch die Straßen ziehen lässt. Neuerdings hat sich die Sagra
delle Mandorle etabliert.
Bauwerke
Das alte Ortszentrum hat seinen Schwerpunkt um die Piazza Fratelli
Messina (Balia), umgeben von Mauern der Bauwerke verschiedener
Epochen, die zugleich die architektonischen Spuren einer beachtlichen
Vergangenheit konservieren.
Die am weitesten zurückliegende Periode ist bezeugt durch die sogenannten
putieddi, einem Kaufhaus des alten Convicino, dessen
Eingänge als Bögen mit jeweils einer Konsole gestaltet sind.
Die Datierung ist aus dem späten Mittelalter. An der Piazza befindet
sich außerdem das ehemalige Benediktinerkloster aus dem
17. Jahrhundert
Die religiösen Bauwerke sind als Beispiele des südlichen Spätbarock
interessant.
Die Chiesa Madre 1728 errichtet auf der vorherigen Kirche S.
Sebastiano, ist charakterisiert durch die weiten Proporzionen und
durch den hohen Campanile, gekrönt von einer vielfarbenen Kuppel.
Die Kirche besticht durch ihre Symmetrie, durch ihre schlanken Bögen
und die stattlichen Säulen., angereichert durch hervorragenden
Stuck, Werk der fratelli Signorelli. Dort wird die wertvolle
Darstellung des Gekreuzigten aufbewahrt, der am Karfreitag durch die
Straßen getragen wird, außerdem findet sich dort ein Weihwasserbecken
mit dem Wappen der Barresi.
Beachtenswert außerdem: Die Madonna della Purificazione
(von Filippo Paladino (1544-1614), die Madonna della Mercede
(1633) und die Madonna Consolata (1777).
Die Kirche Maria SS. della Stella* ist aus dem Jahr 1598, wurde
aber mehrfach umgestaltet. Unter den Gemälden von Wert ein San
Isidoro Agricola von Pietro Asaro und ein Sant’Alessandro
von Francesco Vaccaro.
Die Kirche San Benedetto ist ein Juwel des sizilianischen Spätbarock.
Besonders interessant ist der Apsisteil mit einem holzgeschnitzen Altar,
eingerahmt von kleinen Säulchen. Die Kirche S. Maria SS. dell
Itria* gehört sicher zu den ältesten bestehenden Kirchen
des Ortes und stammt aus der Zeit um 1599. Dort wird die Annunziata
von Mattia Preti (1613-1699) aufbewahrt.
Die Chiesa Madre della Divina Grazia aus dem 17. Jahrhundert
rühmt sich mit einem Portal in gehauenem Stein und einem Bild der
Maria SS. delle Grazie*.
Die Kirche S. Francesco, gebaut 1694 unter der Herrschaft von
Carlo Maria Caraffa:
Wertvoll sind die Statue der Immacolata und von S. Pasquale
Baylon.
Das Hauptwerk ist der Hochaltar, geschnitzt und mit Intarsien versehen.
* SS. ist die gebräuchliche Abkürzung von sanctissima
= allerheiligste ...
Die Informationen sind entnommen:
Buch:
S. Licata, C. Orofino: Barrafranca - Storia - Tradizioni - Cultura popolare,
Edizioni PAPIRO, Enna 1990
Website:
http://www.comune.barrafranca.en.it/
Links zu Barrafranca:
Fotos: http://web.tiscali.it/barrafrancaonline/
Hier finden sich zahlreiche Darstellungen aus Vergangenheit und Gegenwart
Stadtpläne: http://www.comuni-italiani.it/086/004/mappa.html