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In
der Zeit des Faschismus wurde Longobucco zum Exilort für Menschen,
die für eine gewisse Zeit aus dem öffentlichen Weltgeschehen
ferngehalten werden sollten, die aber zugleich in dem abgelegenen
Bergort eine große Aufmerksamkeit auf sich zogen. Die berühmteste
Person war der damalige äthiopische Kaiser Haile Selassie,
der im Albergo Grisaro wohnte, heute La Campanara,
zusammen mit den äthiopischen Soldaten, die zu seiner Bedienung
abgestellt waren. Francesco Godino, lange Jahre Priester
in Longobucco und von dort stammend, erinnert sich an die Gottesdienste
jeweils am 8. September zu Ehren der Madonna. An diesem Tag nahm der
äthiopische Kaiser in einem violetten goldbesetzten Mantel teil,
wenn Don Pippino Caliò eine feierliche Messe in S.
Maria Maddalena feierte, denn an diesem Tag beging die äthiopisch
- koptische Kirche (deren Oberhaupt der Kaiser war) den Beginn eines
neuen Jahres.
Vermutlich
geschah die Verbannung der Äthiopier ausgrechnet nach Longobucco
nicht zufällig. Die ostkirchliche Traditon ist in der Erzdiözese
Rossano-Cariati nie ganz verschwunden, so dass die koptischen Gäste
mit Interesse und Toleranz für ihre ostkirchliche Frömmigkeit
rechnen konnten.
Francesco
Godino beeindruckte besonders, wenn der äthiopische Gast
sich jeweils am dritten Sonntag des Monats bei der kleinen Prozession
in der Chiesa Matrice - umringt von den übrigen Exil-Äthiopiern
- in tiefer Anbetung auf den Boden warf. Für Francesco Godino,
damals Gymnasiast, bedeutete die Begegnung mit Haile Selassie
und den Äthiopiern die tiefste Erfahrung seiner Jugendzeit.
aus: Francesco
Godino, C'era una volta Longobucco. Rossano 2005
Anmerkung: In
den mir zugänglichen Lebensläufen von Haile Selassie wird
nirgends von einem Aufenthalt bzw. Exil in Italien berichtet, vielmehr
von einer Flucht nach England. Wer genaueres weiß, bitte mitteilen.