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JOACHIMSWEGE

Rundweg Celico
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9. De Gloria Paradisi

 

De Gloria Paradisi

Auf dem Weg, der im Mittelalter und schon früher von Celico hoch in die Sila führte, durch Zirulli hindurch, gelangt man oberhalb des Ortes zu den wenigen Ruinenresten von Patia, einem Gebiet byzantinischer Ansiedlungen oder auch Einsiedeleien, so ist es im Straßenverzeichnis der Gemeinde Celico von 1891 beschrieben, nach oben begrenzt durch die Kirche Santa Sofia, heute Kirche der Madonna della Catena. Geht man dann weiter auf der zum Flüsschen Cannavino sanft abfallenden Straße, gelangt man an einen Ort, wo noch heute die Ruinen einer uralten Brücke zu sehen sind, möglicherweise aus römischer Zeit, eng und mit einer spitzen Erhebung, ein Typ von Brücke, der auch ‚Eselsrücken‘ genannt wird, der ‚Ponte di Orlando‘. Dies könnte der originäre Schauplatz sein, an dem die imaginäre menschliche Person in Joachims Gedicht ‚De Gloria Paradisi‘ „ jenseits des Fegefeuers des Lebens über die Brücke des letzten Urteils ihren Aufstieg beginnt.“ Dieses irdische Leben diesseits des Flusses wäre also das Fegefeuer, jenseits würde das Paradies beginnen, und die Brücke stellt dann das Gericht dar. Die Brücke wäre gleichzeitig Symbol der Verbindung oder Trennung zwischen der irdisch-säkularen Welt und seiner mystischen Berufung, sich auf die Höhen der Sila zu begeben und sich dem klösterlich-kontemplativen Leben zu widmen.

Die Brücke überquert das Flüsschen Cannavino, das natürlich nicht „rauchend von Feuer und kochend vor Schwefel“ ist wie der Fluss im Gedicht, aber das, was aus dem Silagebirge hervorsticht und Celico überragt, was auch noch heute ‚Fondente‘ genannt wird, das ist auf einem alten Wandgemälde in Calderazzi als ein Vulkan dargestellt.

Jenseits der Brücke ist der paradiesartige „campus amoenissimus“, Destro genannt wegen seiner optimalen Lage, bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts reich an Obstbäumen und Weinbergen, verstreut auf diesem Hügel, über den der Weg weiterführt bis zu den Abhängen des Monte Fondente. Hier gibt es eine „weite Hochebene“, wo „zwischen verschiedensten Kräutern und grünen Gärten“ „sich die Läufe unzähliger Bäche schlängeln, die sich hier und da verzweigen und wiedervereinen“ und die alle aus dem alten Vulkan hervorquellen. Hier entspringen auch die Trinkwasserquellen für die Bewohner von Celico und die Bäche, aus denen der Cannavino sich speist.

Die Gegend wird Margherita genannt, entsprechend dem lateinischen Terminus Margarita, was Perle bedeutet und auch von Joachim in seinem Gedicht verwendet wird. In der Nähe von ‚Margherita‘ befindet sich Castelluzzi, und weiter oben der „Riesenstein“, eine antike Stätte, nach E. Arnoni möglicherweise „wenige Überreste“ einer sibaritischen Burg. Hier vermutet der Autor den „himmlischen Sitz“, von dem im Gedicht die Rede ist.

 

Das Märchen von Margherita

Die fantastische Geschichte von Margherita erzählt von einem Mädchen des Ortes, das vor langer und unbestimmter Zeit auf den Bergen oberhalb des Ortes seine Herde weidete. Eine nicht näher bezeichnete Gruppe von Männern näherte sich dem Mädchen und fragte es, ob es einen Schatz bewachen könnte. Das Mädchen, von einfachem Gemüt, erklärte sich dazu bereit, aber an dieser Stelle fährt die Erzählung seltsamerweise fort mit der Tötung des Mädchens und damit, dass sein Geist in einer Höhle noch immer einen riesigen Schatz bewacht.

Die antike mythologische Erzählung dürfte ausführlicher gewesen sein, es ging also wohl einiges im Lauf der Zeiten verloren, und so gab es Raum für klassische mythologisch-märchenhafte literarische Formen, die den moralischen Erfordernissen darauffolgender Epochen Rechnung getragen haben.

Was vom ältesten und authentischsten Teil der volkstümlichen Erzählung bleibt, ist alles in diesen wenigen Anfangszeilen enthalten, im Opfer einer Jungfrau, die übernatürlichen Mächten dargebracht wurde, welche nichts anderes sein konnten als die Inkarnation von archaischen Ängsten.

Es war wohl ein Opfer, das im kollektiven Gedächtnis haften blieb, vielleicht wegen der Umstände oder der besonderen Grausamkeit, mit der das Opfer dargebracht wurde, oder wegen des Zusammentreffens mit tragisch-schlimmen und unerklärlichen Naturphänomenen.

Mit der Erzählung sind einige Örtlichkeiten verknüpft. Margherita ist der Ort auf dem Gipfel des Monte Fondente, wo es einen riesigen Monolythen (=einzelner Felsbrocken) gibt, der quasi die Höhle verschließt, in der die Hirtin den Schatz bewacht; unweit davon befindet sich die ‚Fonte del Drago‘ (Drachenbrunnen), was ein Hinweis darauf sein könnte, dass das Bedrohliche die Gesichtszüge einer großen Schlange angenommen hat. ‘Pietra del Corte‘ hingegen ist der Ort weiter unten am Flüsschen, der in der Erzählung unmittelbar genannt wird.

Die Originalität und Schönheit des Märchens von Celico, im Vergleich zu anderen Erzählungen wie die von der „Schönen Schlafenden“, aber auch im Vergleich zu Märchen insgesamt, liegt besonders im Finale. Im Unterschied zu anderen Märchen wird Margherita von niemandem befreit, kein Prinz kommt, um sie zu erlösen. So wird der Leser herausgefordert, sich der Geschichte anzunehmen und sie tatsächlich zu einem glücklichen Ende zu bringen.

Wer den Schatz finden möchte, der muss den Moment erwischen, wenn Margherita Wasser holen geht, dann ist die Pforte für kurze Zeit offen.

 

Bild:

In dieser Panoramadarstellung des oberen Cannavino-Tals sind viele Bilder von Joachims Gedicht ‚De Gloria Paradisi‘ enthalten, das später Dante inspiriert hat, als er seine Göttliche Komödie schrieb.

Hilfreich für das Verständnis sind einige Überlegungen von Raffaele Gaudio (Longobardi 1877, Amantea 1932), der uns eine genaue Übersetzung hinterlassen hat und der im Gedicht eine ‚Parodie auf das Gleichnis von der Seele‘ erkennt, ‚die aus dem schicksalhaften Wald ihres Verlorenseins zurückfindet, ohne sich von der Erde zu entfernen, aber sich über sie erhebend, hin zu einer reinen himmlischen Freude, der ursprünglichen irdischen Vollkommenheit.‘

Bibliografischer Hinweis

  • R. Gaudio, Un mistico fiore silano, Konferenz anlässlich der 600-Jahrfeier Dantes.
    Biblioteca Civica di Cosenza. Wieder aufgelegt durch die Associazione Abate Gioacchino mit dem Titel “De Gloria Paradisi”.
  • E. Arnoni, Calabria Illustrata, Vol. IV, Il  Circondario di Cosenza, 1875, Ediz. Orizzonti Meridionali, Cosenza, 1995.
  • Amministrazione Comunale di Celico, Storia della toponomastica e dei toponimi di Celico, da una ricerca dell’Istituto Comprensivo Abate Gioacchino di Celico, Tip. La Silana, Casole Bruzio (CS), 2004.
  • Francesco Scarpelli, Celico Città Celeste, Edizioni Pubblisfera, San Giovanni in Fiore (CS), 2008.

Bilder:       (Alle Fotos von Francesco Scarpelli)

1: Das Flüsschen Cannavino

2-3: Ponte di Orlando

 

4: Der Brunnen von Patia

5: Gepflasterter Weg

6: Fels

7: Auf dem Ponte di Orlando (aus F. Scarpelli; Margherita, die Drachenperle; Pubblisfera Edizioni, San Giovanni in Fiore (CS), 2013)

8: In der Höhle (aus F. Scarpelli; Margherita, die Drachenperle; Pubblisfera Edizioni, San Giovanni in Fiore (CS), 2013)