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Ikonen,
Weihrauchduft, sich wiederholende meditative Gesänge, die für
uns schwermütig klingen, sich hineinversenken in Gebet und Liturgie
mit stark mystisch anmutendem Charakter, in einer alten Sprache, die
wenigen zugänglich ist - das verbinden wir mit den Ostkirchen,
den orthodoxen Kirchen oder den mit der katholischen Kirche vereinten
Kirchen des ostkirchlichen Ritus. In
ihrer Frömmigkeit haben die Ostkirchen vieles Wertvolle bewahrt,
was im Westen nur wenig oder gar nicht erhalten blieb.
In
Süditalien gab es mehrere Gründe, den Reichtum der Ostkirchen
zu bewahren:
Ein Grund waren die Jahrhunderte süditalienischer byzantinischer
Geschichte im Mittelalter; einen anderen Grund bildeten die vor etwa
500 Jahren zugewanderten Albaner, die in manchen Dörfern noch
heute die Gottesdienste nach ostkirchlichem Ritus feiern.
Durch
die Aufbewahrung des "Codex Purpureus" im Diözesanmuseum
in Rossano, durch die Fresko-Ikone Maria Achiropita" in der Kathedrale
von Rossano und durch die vielen kleinen Kirchen aus byzantinischer
Zeit im Gebiet der Stadt Rossano blieb die Erzdiözese Rossano (- Cariati) mehr als andere der Tradition der Ostkirche verbunden.
Don
Francesco Godino, früher Pfarrer in Longobucco, versucht, in
seinem kleinen Büchlein Greci e bizantini a Rossano
die Spur der byzantinischen Tradition in Ostkalabrien aufzunehmen.
Rossano
- Klein-Byzanz
Rossano
gehört zu den Städten Süditaliens, die bis heute auf
ein ungebrochenes Verhältnis zur Tradition und Frömmigkeit
der Ostkirchen verweisen können.
Kommt man
auf der kleinen Straße von Paludi nach Rossano, so ist die kleine
byzantinische Kirche S. Marco etwa 3 km vor der Rossano von der Straße
aus auf der anderen Talseite zu sehen.
Waren es am
Anfang arme Eremiten, die aus dem Osten (Kleinasien) kamen, so wuchsen
aus dem basilianischen Mönchtum vom 9. - 12. Jahrhundert Persönlichkeiten
heraus, von denen S. Nilo von Rossano die bedeutendste war, bedeutend
auch durch ihre Teilhabe am politischen Leben ihrer Zeit.
Die Normannen
hatten vom Papst die Forderung akzeptiert, in ihren Länderein
den lateinischen Ritus einzuführen. Dies gelang auch
überall, außer in Rossano. (Godino S. 41)
Als der griechische
Erzbischof von Rossano starb, glaubte Ruggiero I. die Chance
nutzen zu können und nominierte einen lateinischen Bischof. Doch
sein Plan ging nicht auf. Eine ausgewählte Vertretung von Adligen
und Volksvertretern verlangte von Ruggiero, den griechischen Ritus
nicht anzutasten. Dieser gewährte deshalb von 1092 wieder den
griechischen Ritus für Rossano.So gab es weiterhin einen Erzbischof,
der dem griechischen Ritus folgte, ein Matteo Saraceno, Franziskaner
aus Reggio, der als Person nicht unumstritten war. Er spielte
eine problematische Rolle in seinem Verhältnis zu König
Ferdinand von Aragon sowie beim Aufstand der Barone.
Seine feste und schwere Hand spielte auch mit bei der Verfolgung und
Zwangsbekehrung der Juden zu "Neuchristen". Von ihm wird
erzählt, dass man ihn zum Erzbischof von Reggio machen wollte,
doch er weigerte sich mit Erfolg. Papst Niccolo V. war beleidigt
und verärgert. Als Matteo Saraceno dann mit Kriegsschiffen
einige gefangene Christen aus dem Orient nach Rom brachte, schmolz
das Eis: Der neue Papst, Callisto III, sandte ihn nach Rossano.
Wie kam es
nun, dass Rossano schließlich doch vom ostkirchlichen, griechisch-byzantinischen
Ritus zum lateinischen Ritus überging?
Dieser Matteo
Saraceno nutzte während des Konzils von Florenz 1438
- 1445, auf dem eine Wiedervereinigung der getrennten Ost- und
Westkirche versucht und fast erreicht wurde, die Gelegenheit zur Latinisierung
Rossano's. Trotz der damaligen Proteste der basilianischen Mönche
wurde die lateinische Liturgie eingeführt. Doch blieb in
Rossano bis heute ein Rest der griechischen Liturgie erhalten: Die
Palmsonntagsliturgie mit der Flursegnung.
Der Grund
der Latinisierung durch Matteo Saraceno ist nicht bekannt.
Grundlinien
byzantinischer Spiritualität (Godino
S.12)
Francesco
Godino zeichnet im folgenden einige Grundlinien byzantinischer Spiritualität
auf.
Grundlage
der byzantinischen Spiritualität zu allen Zeiten war das innerste
Streben des Menschen, der - die gute Nachricht, die von Christus kommt,
empfangend - das tiefe Verlangen und die Notwendigkeit spürt,
den Auftrag der Vollkommenheit im eigenen Leben zu verwirklichen,
durch den er dem Vater im Himmel ähnlich werden soll.
Für das
Erreichen dieses Ideals gab es zu jeder Zeit verschiedene Lösungen
mit entsprechenden Aspekten der Spiritualität. Hier die wichtigsten:
a) Die einfache (primitiva)
Spiritualität:
In die intimità mit Gott eintreten mittels der Carità
(Nächstenliebe) gemäß S. Irenäus
b) Die intellektualistische
Spiritualität:
Die Kontemplation mit Hilfe des Verstandes, der in die göttlichen
Geheimnisse einzudringen versucht, gemäß Evagrius
c) Die Spiritualität
der Gefühle (des Erspürens):
Der Mensch "spürt" die konkrete göttliche Gnade
in sich selbst (gerät dabei in die Gefahr eines mystischen Materialismus).
d) Die Spiritualität
durch das Zeugnis des Gehorsams:
Alles ruht auf dem Wert des zönobitischen ( = gemeinschaftlich
orientierten) Lebens gemäß S. Basilius
e) Die hesichastische
Spiritualität:
Die Vervollkommung besteht nicht nur in der Kontemplation des
Verstandes, der in die göttlichen Geheimnisse einzudringen
versucht, sondern ebenso sehr in der Kontemplation des Herzens
in seinem liebenden Streben zu Gott hin (z.B. durch die beständige
Wiederholung und Vertiefung des Jesus-Gebets).
Christus
lebt auch in den Brüdern und Schwestern (Godino
S.14)
Francesco
Godino folgt in seinen Überlegungen Teodoro Studita (759-826),
dem Abt des berühmten Klosters "Studion" von Konstantinopel,
wenn er in Anlehnung an Basilius von Cäsarea die lebensfeindliche
Askese der Eremiten kritisiert, deren Lebensstil gegen Ende des ersten
christlichen Jahrtausends offensichtlich sehr attraktiv erscheint
nach dem Motto "Hauptsache, ich werde vollkommen."
Natürlich
soll ein Mönch abseits von den Gütern der Welt leben und
mit einem Herzen, das bestrebt ist, sich zu reinigen. Natürlich
ist der persönliche Kampf gegen die Sünde sinnvoll und notwendig.
Dennoch besteht die Vollkommenheit nicht so sehr in einem Leben der
Einsamkeit und der Kontemplation des Eremiten, sondern im "Martyrium
des Gehorsams" des Mönchs, der in Gemeinschaft mit den Brüdern
(entsprechend Schwestern) lebt. Gehorsam bedeutet hier ganz umfassend,
sich auf andere einzulassen. Im Mönchtum konkretisiert sich dies im gehorsamen Hören auf den Abt, der Christus repräsentiert, und auf die
Brüder (entsprechend Schwestern). Denn Jesus Christus lebt auch
in den Brüdern/Schwestern. Der Tag des Mönchs ist somit
als ganzer ein Akt der Liebe und der Fürsorge.
Teodoro Studita
tritt hier ein für das "Recht der Natur" gegen eine
überzogene Übernatürlichkeit und entwirft damit eine
grundsätzlich positive Sicht des Menschen.