Vom Vorteil gemeinsamen Lebens
Wir brauchen einander
Das Zusammenleben mit mehreren, die denselben Zweck verfolgen,
ist zu vielem hilfreich. Keiner von uns ist für sich allein
imstande, für alle Notwendigkeiten zu sorgen, die sich aus dem
täglichen Leben ergeben und für die wir einander brauchen.
Denn wie der Fuß eine Kraft hat, eine andere aber entbehrt und
ohne die Unterstützung der anderen Körperteile sich weder stark
noch ausdauernd zeigt, noch das Fehlende von sich heraus zu
ersetzen vermag, so wird auch im einsamen Leben das, was wir
an Fähigkeiten füreinander haben, unnütz für uns und das Fehlende
unbeschaffbar. Gott hat bestimmt, dass der eine des anderen
bedürfe, (Pred. 13,20), damit wir uns einander anschließen.
Jeder braucht
die geschwisterliche Korrektur, um wachsen zu können
.... Zudem ist es in der Abgeschiedenheit nicht leicht, seine
eigenen Fehler kennenzulernen, weil man niemanden hat, der einen
zurechtweist und sanft und mitleidvoll bessert. Daher trifft für
einen solchen zu, was gesagt ist: "Weh dem, der allein ist, denn
wenn er fällt, hat er niemanden, der ihn aufrichtet." (Pred
4,10).
Mit Christus und
mit den Menschen verbunden zu sein, muss spürbar gelebt werden
In einem abgeschiedenen Leben können wir uns nicht gemeinsam mit dem verherrlichten
Christus freuen, mit dem wir verbunden sind, noch mit den
Leidenden mitleiden (1 Kor 12,26), da ja niemand um den Zustand
des anderen wissen kann.
Charismen und
Begabungen sind uns geschenkt, um sie füreinander einzusetzen
.... Was ein jeder an Charismen und Begabungen besitzt, das
hat er nicht so sehr seinetwegen als der übrigen wegen empfangen
(1 Kor 12). Wer aber abgesondert für sich lebt, der macht die
Gnadengaben, die er vielleicht empfangen hat, durch Nichtgebrauch
nutzlos, indem er sie in sich vergräbt.
Die Gemeinschaft
ist das Übungsfeld der Liebe
Sieh, um uns klar und deutlich das Beispiel der Demut in vollkommener
Liebe zu geben, hat sich der Herr eine Schürze umgebunden und
den Jüngern die Füße gewaschen. Wen aber willst waschen, wen
bedienen, wem gegenüber der letzte sein, wenn du einsam für
dich lebst?
Vom Verhalten
auf der Reise
Vor der Reise
Das Reisen werde demjenigen übertragen, der es ohne Schaden
für seine Seele und zum Nutzen derer, mit welchen er zusammenkommt,
durchzuführen versteht.
Findet sich in einer Brüdergemeinschaft niemand Geeignetes,
soll nachbarschaftlich ausgeholfen werden, so dass sie die Reise
gemeinschaftlich machen und sich nie voneinander trennen, so
dass sowohl die seelisch Schwachen wie auch die leiblich Gebrechlichen
durch die Gemeinschaft mit den Stärkeren gestützt werden.
Nach der Rückkehr
Nach der Rückkehr soll der Vorgesetzte den Reisenden befragen,
was er ausgeführt habe, mit welchen Leuten er zusammengekommen
sei, was er mit ihnen gesprochen, was er bei sich gedacht habe,
ob er den ganzen Tag und die ganze Nacht in der Furcht Gottes
zugebracht, ob er gesündigt oder eine der Verordnungen übertreten
hätte, den äußeren Umständen nachgebend oder vom eigenen Leichtsinn
hingerissen.
(Frei
nach: Balthasar, Hans Urs von; Die großen Ordensregeln, Einsiedeln
1974, 6. Aufl. S. 78-82)