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Italienische
Familien in Schule / Religionsunterricht / Kirchengemeinde 1. Die Herausforderung: Kirchengemeinde wird Weltkirche Sonntag vormittags ein Gottesdienst: Einer der Ministranten ist aus Asien, zwei Mädchen sind schwarz, fünf haben weiße Hautfarbe, zwei davon kommen aus Italien. Ministranten/innen aus drei Erdteilen gleichzeitig ist keine Seltenheit mehr. Katholische Kirchengemeinden mit 10, 20, 25 % ausländischen Gemeindemitgliedern gehören in den größeren Städten zur Regel. Weltkirche ist die neue Wirklichkeit vor Ort. 1.1. Vom Gastarbeiter zum Europäern Die
Vielfalt von deutschen und ausländischen Christen in den Kirchengemeinden
begann meist mit den Gastarbeitern, die vor allem für die Industrieregionen
geholt wurden, zunächst nur die Männer, angeworben beispielsweise in
den Dörfern Kalabriens, um in Deutschland zu arbeiten. Ganze Gruppen
kamen oft aus demselben Dorf in Kalabrien in dieselbe Stadt Deutschlands.
Gelebt wurde spartanisch, das Ersparte wanderte nach Hause zur Familie.
Italienische Vereine und Clubs, Sozialberater sowie die "Italienischen
Missionen" boten Kontakt und Betreuung. Die Ortsgemeinden sahen sich
durch die Missionen von der Seelsorge für die Migranten entlastet. Für
die Familien bedeutete die Trennung eine große Herausforderung: Viele
Ehen hielten der Belastung durch die Trennung nicht stand. Aus der kurzen
Zeit, die man in Deutschland arbeiten wollte, wurden viele Jahre. Immer
mehr Familien kamen nach. Mit dem Aufwachsen der zweiten Generation
bekam der Aufenthalt in der Fremde mehr Dauer, die Aussicht auf eine
vollständige Rückkehr verschwand. Das Haus in Kalabrien wurde zum Urlaubsdomizil
und zur Perspektive für den Ruhestand. Viele ältere Kalabresen vor allem
der ersten Generation pendeln zwischen den Kindern/Enkeln in Deutschland
und der Heimat im Süden hin und her. Doch die Migration geht weiter:
Auch heute kommen zahlreiche junge italienische Paare, um in Deutschland
Arbeit zu suchen, und mit ihnen beginnt der integrative Prozess von
neuem. Dennoch ist die Zeit der Gastarbeiter vorbei. Kalabrien ist eine
Region Europas mit Perspektiven und fordert Partnerschaft ein. Seine
Bewohner sind Mitbürger im vereinten Europa, stolz auf ihre große Geschichte
und ihre schöne Heimat. Die Migranten selbst sehen sich in einer neuen
Rolle und beanspruchen diese auch vor Ort: In den demokratischen Gremien
der Städte und Gemeinden, aber auch in den Gruppen und Gremien der Pfarreien. 1.2. Die Kirchengemeinden, ihre deutschen und ihre ausländischen Mitglieder Wo sich ausländische Familien auf Dauer oder auf längere Zeit niederlassen, sehen sich katholische Pfarreien vor die Aufgabe gestellt, mit der neuen Situation praktisch und grundsätzlich umzugehen. Die ausländischen Gemeindemitglieder haben Anspruch auf Seelsorge und beanspruchen, ihre Eigenart in die Kirche vor Ort mit ein zubringen. Sie wehren sich gegen bloße Anpassung, wollen über die Folklore hinaus ernst genommen werden und zugleich in Dienst genommen werden für die Grunddienste der Gemeinde. Doch ein Zusammenwachsen von einheimischen und zugewanderten Gemeindemitgliedern fällt nicht immer leicht. Unterschiedliche Mentalität, unterschiedliche Vorerfahrungen und Lebenssituationen stellen beachtliche Hürden dar, die für ein Mehr an Gemeinsamkeit überwunden werden müssen. Voraussetzung ist, einander besser kennenzulernen.
2. Die Wurzeln: Familie, Schule, Kirche und Gemeinde in Kalabrien 2.1. Familie Der wesentliche Lebensort (süd-)italienischer Kinder und Jugendlicher ist nach wie vor meist die Familie. Die Familie verkörpert die grundlegenden Werte der Erziehung. Sie ist zugleich angewiesen auf ein Umfeld, das diese Werte schätzt und fördert. Dabei kann die Familie eine Lebensgeschichte genauso fördern wie behindern. Das Rollenverständnis ist im ländlichen Raum nach wie vor traditionell ausgeprägt. Die bisher hohe Arbeitslosigkeit im Osten Kalabriens bringt allerdings eine Spannung in die Familie, die dann häufig zur Suche nach Arbeitsmöglichkeiten in Norditalien oder im Ausland führt. 2.2. Schule Die Phase der außerfamiliären Erziehung und Bildung beginnt mit der Scuola Materna, die unserem Kindergarten entspricht, aber deutlich lernorientierter ausgeprägt ist. Im Alter von ca 5 - 6 Jahren folgt dann die Scuola elementare (Grundschule), die 5 Klassen umfasst und in der alle Kinder einheitliche Schulkleidung tragen. Mit der Scuola Media (6. - 8. Klasse) ist dann die allgemeine Schulpflicht erfüllt. Es folgt ein Wechsel auf ein Liceo (fachgebundenes Gymnasium), auf die Berufliche Schule (Scuola Professionale) oder direkt in eine Ausbildungsstelle. Auffällig ist, dass während der gesamten Schulzeit der Lernaspekt von Anfang an stark im Vordergrund steht, dass aber auch Projektunterricht ein starkes Gewicht besitzt. Bis zur Klasse 5 (Scuola Media) werden behinderte Kinder integrativ unterrichtet unter Beteiligung sonderpädagogisch ausgebildeter Lehrkräfte. Es gibt einen ausdrücklichen Religionsunterricht, der meist von speziellen Religionslehrern/innen oder Priestern erteilt wird. 2.3. Kirchliches Leben Das kirchliche Leben ist überall noch stark ausgeprägt, wenn auch eine Erosion von Glauben und Kirchlichkeit nicht zu übersehen sind. Die kirchlichen Traditionen und die dörfliche und kleinstädtische Lebensweise sind in einem Dorf Kalabriens tatsächlich auch heute noch sehr verschieden im Vergleich zu einer Kirchengemeinde in der Region Stuttgart. Die Sozialkontrolle ist noch deutlich stärker ausgeprägt und reicht teilweise bis in die deutschen Wohnorte. Das Gemeindeverständnis ist einerseits noch sehr priesterzentriert, andererseits sind eine Vielzahl von Gemeindemitgliedern verantwortlich tätig in der Verwaltung und Gestaltung der Gemeinde oder in religiösen Bewegungen, die in Italien sehr stark verbreitet sind. Innerhalb des Familienverbunds gibt es oft Traditionen, die uns kaum mehr vertraut sind, so zum Beispiel das gemeinsame Beten des Rosenkranzes. Auf
Erstkommunion und Firmung hin gehen die Kinder bzw. Jugendlichen meist
einen jahrelangen katechetischen Weg mit wöchentlichen Treffen und beachtlicher
inhaltlicher Fülle. Eine Besonderheit sind die Bruderschaften, die sich
bestimmten Aufgaben verschrieben haben (Karwochen-Gestaltung, soziale
Aufgaben, Pflege einer Kirche usw.). Es gibt aber auch Familien, die
eine starke antiklerikale Tradition haben: Sei es aus politischen Gründen,
sei es aus persönlichen Enttäuschungen heraus, sei es aus dem Bedürfnis
nach Freiräumen heraus angesichts einer allgegenwärtigen, immer noch
mächtigen Kirche. Viele italienischen Familien haben in ihrer Verwandtschaft
Mitglieder der Zeugen Jehovas, Adventisten oder Freikirchler. Solche
Übertritte sind häufig eine Folge von familiären Zerwürfnissen, oder
aber sie erzählen von einer großen Einsamkeit vor allem hier in Deutschland,
in der sich Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften ihnen zugewandt
haben. Die Freikirchen kommen dem Bedürfnis nach biblischem Wissen
und emotionaler Religiosität entgegen. 3. Lebensfeld Schule in Deutschland 3.1. Italienische Kinder und deutsche Schule Während die Kindergartenzeit meist noch einigermaßen konfliktfrei verläuft, zeigt sich häufig in der Grundschule, dass hier ganz unterschiedliche Modelle von Erziehung aufeinanderstoßen. Die von Italien her gewohnte frühere Einschulung und die starke Lernorientierung des Kindergartens führen gelegentlich in Deutschland zu verfrühter Einschulung ohne ausreichende Sprachkenntnisse. In der Schule wird die Lebhaftigkeit italienischer Kinder schnell als Hyperaktivität gedeutet. Lehrer wie Eltern stehen dann vor der Herausforderung, dieses Kind für die deutsche Schule "schulgerecht" zu machen. Die Situation der Migration mit Umzug, neuer Sprache, psychischer Belastung der Familie, Druck durch Zwang zur Erwerbstätigkeit beider Eltern, teilweise kleinen Wohnungen, Fehlen der Großeltern in der Erziehung bringt eine zusätzliche Belastung von Kindern und Eltern mit sich. Insbesondere Umzüge im Laufe der Schulzeit belasten die Kinder erheblich. Viele Eltern überlegen deshalb, die Kinder bei den Großeltern in Italien zu lassen bzw. in einem Internat unterzubringen. 3.2. Italienische Eltern und deutsche Schule Eltern
ausländischer Schülerinnen und Schüler wird häufig Desinteresse an schulischen
Vorgängen bzw. dem Bildungsfortschritt ihrer Kinder vorgeworfen. Dabei
wird meist vermieden, genauer hinzuschauen, warum die Eltern die notwendigen
Kontakte nicht wahrnehmen. 4. Religionsunterricht 4.1. Schülerinnen und Schüler anderer kultureller Herkunft - eine Herausforderung auch im RU Schätzungsweise 10 000 italienische Kinder und Jugendliche besuchen den katholischen Religionsunterricht in der Diözese Rottenburg Stuttgart. Diesen aufgeweckten Kindern begegnen natürlich auch die katholischen Religionslehrer - und zunehmend auch die evangelischen, sofern sie im konfessionell-kooperativen Religionsunterricht tätig sind. Ihre teilweise andere religiöse Mentalität, Unterschiede in der Erziehung und der meist süditalienische kulturelle Hintergrund bedeuten für Unterricht, Lehrer, Mitschüler und die Gemeinden eine Chance und eine Herausforderung zugleich. Nur allmählich wird auch in Lehrplänen und Schulbüchern sichtbar und spürbar, dass im Religionsunterricht unterschiedliche religiöse und kulturelle Traditionen aufeinandertreffen. Die Religionslehrer/innen, die sich darauf einstellen, profitieren, denn die ausländischen Schüler tragen u. U. zu einer größeren Vielfalt bei. Für die Beziehung speziell zu den italienischen Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht kann es hilfreich und bereichernd sein, mehr zu wissen über die Herkunft ihrer Familien, ihre religiösen und kulturellen Wurzeln. Es geschieht häufig, dass ich ein italienisches Kind frage nach dem Vater Unser, es schaut mich fragend an, wenn ich aber sage: Padre Nostro, dann spult es das Gebet ohne Unterbrechung ab. Es leistet also nicht den Transfer zwischen italienischer Kirche und örtlicher Kirche. Diese Fremdheit bleibt weitgehend bestehen bis in die Sekundarstufe eins und wird erst teilweise durchbrochen bei den lebenskundlichen Themen ab Klasse 7 und 8. Die konfliktorientierten Themen des Religionsunterrichts stehen gelegentlich in Spannung zu dem auf klaren Rollen aufbauenden Familienleben. Andererseits bieten unterschiedliche familiäre Erfahrungen Stoff für interessante Gespräche zwischen deutschen und ausländischen Schülern. Durch die starke Berücksichtigung des Islam in Lehrplänen und Unterricht hat sich die Rolle muslimischer Schülerinnen und Schüler in der Schule stark verbessert. Sie lernen: Ich darf stolz sein auf meine Religion und ihre Traditionen. Von solcher Wertschätzung für ihre Sprache und kulturelle Eigenart im Religionsunterricht und in der Schule insgesamt können italienische christliche Kinder oft nur träumen. . 4.2. Italienische Kinder und Religionsunterricht Die kreativ - gestaltenden Elemente im Religionsunterricht kommen den italienischen Kindern meist sehr entgegen, doch bei vielen Inhalten und Methoden gehen sie nur äußerlich mit, weil ihre Kirchenerfahrung - die sie häufig haben - anders aussieht: Andere Lieder, andere Bilder, vor allem aber andere Gebete - obwohl es dieselben sind, nur in einer anderen Sprache. Exkurs: Warum Migration Sinn macht. Von der sozialen Fürsorge zu einer Theologie der Migration Bedeutet es einen Defekt der Menschheit, wenn Menschen ihre Heimat verlassen, um anderswo auf dieser Welt zu leben, sei es aus wirtschaftlichen Gründen, sei es als Flüchtlinge, sei es als Touristen? Der italienische Bischof Giovanni Battista Scalabrini, der selbst Geschwister hatte, die ausgewandert waren, begann im 19. Jahrhundert mit einer systematischen Seelsorge für die Auswanderer. Darüber hinaus begründete er eine religiöse Deutung der weltweiten Wanderungsbewegungen: "L'emigrazione fa sì che la patria dell uomo diventi il mondo - die Emigration bewirkt, dass die Welt zur Heimat des Menschen wird"(1). In der Verbindung und Vermischung von Menschen unterschiedlicher Rassen, Kulturen und Völker sah er ein Zeichen der durch Christus geeinten Welt: Die Einheit aller Menschen guten Willens in Gott.(2) Es geht darum, eine übernationale Heimat zu errichten als "Kirche, die seit jeher unterwegs ist und die im endlosen Ereignis der Emigration eine unaufhörliche Fortsetzung des ersten Exodus sieht, der noch immer aus dem Sklaventum in die Freiheit führt. Der Traum, der uns bewegt, ist der einer Welt ohne Barrieren, ohne Grenzen, ohne Pass und ohne Schutzmauern. Eine neue Welt? Ja, genau. Das angebrochene Reich Gottes."(3) Eine solche Deutung der Migration mag interessant sein für Schule und Gesellschaft, in jedem Falle könnte sie für Kirchengemeinden und für den Religionsunterricht eine wichtige Perspektive und Leitlinie bieten, die über den üblichen Integrations-Pragmatismus hinausgeht. 5. Ansätze 5.1. Wie Schule, Religionsunterricht und Kirchengemeinde weiter kommen können Etwas
verändern lässt sich nur durch ernsthafte Beziehung.
In ihrem Buch "Interkulturelles Lernen in der Gemeinde" beschreibt Monika Scheidler eine Doppelstrategie: "Einerseits sollen interkulturelle Begegnungs- und Lernräume eingerichtet und gestaltet werden, in denen Einheimische und Zugewanderte einander schätzen lernen und auf der Basis des gemeinsamen Glaubens mit kulturellen und anderen Differenzen umgehen lernen können. Andererseits werden sowohl die zugewanderten als auch die alteingesessenen Christen noch für längere Zeit soziale Räume brauchen, in denen sie unter sich sein und ihre je eigene soziale, kulturelle und religiöse Identität ausbilden können."(4) Monika Scheidler sieht vor allem auf der Seite der einheimischen Ortsgemeinden einen Nachholbedarf. Eine wechselseitige Akkulturation kann in und durch Kirchengemeinden nur stattfinden, "wenn die einheimische Mehrheit bereit und in der Lage ist, sich konsequent auf Begegnungen mit Migranten und auf interkulturelle Lernprozesse einzulassen, bei denen sich nicht nur die Minderheit, sondern auch die Mehrheit verändert."(5) Wenn die Beziehung zu den ausländischen Gemeindemitgliedern über Pizzabacken und Folklore hinausgehen soll, ist es unumgänglich, dass sich die Verantwortlichen und Mitglieder der Gemeinde auf einen Lernweg begeben. Sie brauchen mehr Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit ihren Mitchristen aus einem anderen kulturellen Zusammenhang. Sie müssen Erfahrungen machen mit der anderen Mentalität und sich von Rückschlägen nicht abhalten lassen. Dazu gehört auch, dass einige versuchen, die entsprechende Sprache zu verstehen und zu lernen und die religiösen Eigenheiten zu kennen. Die Gemeinde muss die äußeren Möglichkeiten schaffen, dass religiöse und gemeinschaftliche Veranstaltungen ihrer ausländischen Mitglieder problemlos durchführbar sind. Und sie kann zunehmend Berührungspunkte schaffen, wo gemeinsames Glauben und Leben erfahrbar wird. Einige Hinweise zeigen, worauf es dabei ankommt.
Gemeinden anderer Muttersprache Im Bereich der Gemeindestruktur entwickelte die Diözese Rottenburg Stuttgart folgenden Weg zu einem neuen Miteinander: Gibt es in einer Seelsorgeeinheit eine relativ große Anzahl von Menschen gleicher nationaler Herkunft, so sollen diese eine rechtlich eigenständige "Gemeinde anderer Muttersprache" bilden. Dazu wählen sie ein Vertretungsgremium, aus dem wiederum Vertreter in den gemeinsamen Ausschuss der Seelsorgeeinheit entsandt werden. Auch wenn dieser Weg vielfach kritisch gesehen wird: Er stellt doch sicher, dass die entsprechende Gruppe in aller Freiheit entscheiden darf, wie der Weg der Integration aussieht und wie sie ihre religiös-kulturelle Eigenart bewahren bzw. einbringen kann. Gleichzeitig ist angestrebt, dass Gemeinsamkeit über die verschiedenen nationalen Gruppen hinweg wächst. 5.3. Was die Schule tun kann Kinder, Eltern und Lehrer sind die Hauptbeteiligten am Erziehungsauftrag der Schule. Die Hindernisse, die ausländische Eltern von einer Beziehung zu Lehrern und Schule abhalten, werden von den Schulen häufig moralisiert: Die Eltern wollen nicht, sind zu bequem, unfähig usw. Dabei hält diese Vermutung kaum einer Nachprüfung stand. Durch Misstrauen schafft die Schule für die Familien Probleme, statt sie ihnen hilft, sie zu lösen. Wichtig ist, dass die Schule frühzeitig den Kontakt zu den Migrantenfamilien sucht. Dazu sind neue Wege notwendig. Das Tabu, dass nur im Sonderschulbereich Hausbesuche gemacht werden, ist überholt: Gerade ausländische Familien fühlen sich in der eigenen Umgebung sicherer für ein Gespräch als im fremden Raum der Schule. Zugleich wird dabei erfahrbar, dass meist eine hohe Kultur der Gastfreundschaft die Familien prägt. Die Eltern werden zu achtbaren Partnern in der Erziehung. Nur mit hohem Respekt vor dem guten Willen der Eltern wird es gelingen, die Familie in die gemeinsame Verantwortung einzubinden. Ein Handicap der grundsätzlichen Art: Die Muttersprache der ausländischen Kinder wird von der Schule oft eher als Störfaktor empfunden. Es braucht Modelle und Strukturen, welche die Kenntnis einer Muttersprache zum schulischen Vorteil werden lassen. 5.4. Was die Religionslehrer tun können Für die Religionslehrer/innen könnte das bedeuten, sich zunächst für die Schülerinnen und Schüler persönlich zu interessieren: für ihre Herkunft, ihre familiäre Situation, ihre Eigenheiten. Das gilt nicht nur für ausländische Schüler/innen. Weiter können sie den Lehrplan befragen: Wie wichtig ist die Germanenmission für eine Klasse 7, in der 80% Ausländer sind? Welche Aspekte der Kirchengeschichte wären für italienische, spanische, kroatische, afrikanische .... Schüler/innen bedeutsam? Welche "großen Christen" stammen aus diesem Land? Außerdem kann jede/r Zeichen setzen. Man muss nicht gleich die entsprechende Sprache beherrschen. Die Kinder verstehen auch kleine Gesten, mit denen eine Wertschätzung ihrer Herkunft und Familie erfolgt. Mit der Begründung "Gott versteht alle Sprachen" habe ich grundsätzlich bei Abfragen und Arbeiten die italienische oder kroatische Version von Gebeten oder den Geboten akzeptiert. Auch muttersprachliche Lieder durchbrechen diese Mentalitätsmauer. Durch solche Zeichen kommt zum Ausdruck: Deine kulturellen Wurzeln, deine Sprache, Deine religiöse Tradition und Mentaliät sind wichtig und wertvoll. Auch wenn du durch deine Sprache oder durch die familiären Umstände in deiner schulischen Entwicklung gehemmt bist: Ich erkenne dich als Kind Gottes, das mit ganz eigenen und wichtigen Gaben ausgestattet ist. (Nicht immer reagieren die ausländischen Kinder bzw. Jugendlichen auf Elemente in ihrer Muttersprache positiv. Gründe können sein, dass sie ihre Muttersprache nur unvollkommen beherrschen, oder nur im Dialekt sprechen, oder sie wollen nicht als Minderheit in der Klasse hervorgehoben werden, was ihre Bemühung um Integration erschweren könnte usw. ) Soweit möglich, ist ein Kontakt zu den Eltern hilfreich, der auch von außerschulischen Erfahrungen bereichert ist und möglichst angstfrei sein sollte. Feste der muttersprachlichen Gemeinden bieten dazu eine gute Gelegenheit. Religionslehrer haben u.a. manchmal den Vorteil, dass sie nicht von allen schulischen Zwängen belastet sind und deshalb einen unbefangeneren Umgang pflegen können. 6. Integration muss keine Drohung sein Viele Eltern ausländischer Kinder haben die Befürchtung: Die deutsche Schule, Sprache und Kultur entfremdet uns unsere Kinder. Damit gefährdet sie unser Selbstverständnis als Familie. Das Zusammenleben innerhalb vieler ausländischer Familien unterscheidet sich in vieler Hinsicht von den Rollenbildern und Aufgabenverteilungen, die im deutschen kulturellen Umfeld gelernt und gelehrt werden. Eine Veränderung wird als Bedrohung des familiären Zusammenhalts erlebt. Autorität der Eltern und Zukunft der Kinder erscheint gefährdet. Die Konsequenz ist, dass die ausländischen Jugendlichen in zwei Werte-Welten leben (müssen): Das, was ich von zu Hause kenne, gilt in der Schule nicht alles, und was ich in der Schule erlebe und lerne, erzähle ich besser nicht den Eltern. Worte wie "Die sollen sich gefälligst anpassen, wenn sie hier leben wollen" erzeugen Angst vor einer Integration, die vor allem Anpassung und Gleichmachung bedeutet. Allein die Wohnumgebung erzeugt häufig einen immensen Anpassungsdruck "Wir dürfen hier nicht so laut sein". Immerhin sind Kirchengemeinden, ihre Mitglieder und Verantwortlichen zunehmend bereit, auf die Eigenheiten ausländischer Gemeindemitglieder Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu erarbeiten, die zwischen den unterschiedlichen Mentalitäten vermitteln. 7. Früchte: Euer Lohn wird groß sein Schüler und Eltern, die spüren, dass sie uns wichtig sind, werden eher bereit sein, sich auf Neues einzulassen. Weil das Selbstwertempfinden der Kinder/Jugendlichen gestärkt wird und die gute Absicht der Eltern anerkannt wird, können Schülerinnen und Schüler möglicherweise darauf verzichten, um jeden Preis Aufmerksamkeit zu suchen durch Gewalt und Störung. Es findet Integration statt: Eine Integration der deutschen Kultur in die mitgebrachte Kultur ausländischer Familien. Das macht angstfreien bereichernden Umgang möglich. Das macht bereit, Sprache zu lernen, Gemeinsames zu suchen und Neues zu riskieren. Das lässt ahnen, was ein vereintes Europa sein kann: Ein Raum, in dem wir uns einander beschenken. Und es lässt spüren, was Pfingsten als Beginn einer weltweiten Kirche bedeuten wird: Versöhnte Verschiedenheit. Ein Lese- und Reisebuch als Brücke Wie
kommen wir unseren italienischen Gemeindemitgliedern bzw. Schülern näher?
Wie können wir Ihnen das Gefühl geben: Ihr gehört zu uns. Wir stehen zu
Euch. Wir gehören zueinander? (1) Giovanni Battista
Scalabrini Beato, hrg. von den Missionari di San Carlo - Scalabriniani
sowie den Missionarie di San Carlo Borromeo - Scalabriniane und den Missionarie
Secolari Scalabriniane. Roma 1998 (3) GUGLIELMI,
Silvano; Ein neuer Exodus, Vorwort des Autors S. 11f (5) SCHEIDLER,
S. 181 (6) RAISER, Thomas, Sila Greca Sila Ionica - ein Reisehandbuch; Edition Semplicità, Fellbach 2002 © Thomas Raiser
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Buchtip
Artikel Thomas Raiser |
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