Kalabrien im Spiegel der deutschsprachigen Reiseführer und Reiseliteratur der letzten 50 Jahre bis heute

Reiseführer über Kalabrien wollen Gäste an die Hand nehmen und ihnen diese Region im Süden Italiens erschließen. Welche Akzente setzen die gedruckten Reisebegleiter  durch Kalabrien im Laufe der letzten 50 Jahre? Und welches Bild von Kalabrien und seinen Bewohnern kommt jeweils zum Ausdruck?

Eine Übersicht über die deutschsprachigen Reisebeschreibungen von Kalabrienreisenden in den letzten Jahrhunderten findet sich hier.

Gastfreundliches Kalabrien

San Francesco di Paola
Freundschaftliche Beziehungen zwischen Fellbach und Cariati
Migration
Kirche

Spiritualität
Joachim von Fiore, Mönch und Prophet eines neuen Zeitalters

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DIE VORGESCHICHTE

+++ 20. / 21. Jahrhundert:
Die große Reisewelle der Deutschen in den 50er-Jahren geht nicht bis Kalabrien

+++ In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts profitiert der Süden Italiens von der Italien-Reisewelle der Deutschen kaum. Erst allmählich kommen Bekannte der "Gastarbeiter" zu Besuch in den Süden, später auch deren Kinder und Enkel.

+++ Der Pauschaltourismus beginnt in Kalabrien in den 90er-Jahren. Mit Frosch-Reisen in München als Vorreiter konzentriert er sich bis heute vor allem auf Tropea und Capo Vaticano.

+++ In den 90er-Jahren macht sich Kalabrien - angeregt von innen und außen - auf den Weg, seine kulturell-geschichtliche Identität wieder neu zu entdecken. Die EU fördert diese Entwicklung konzeptionell und finanziell und betreibt die systematische Förderung des Tourismus in Kalabrien als Weg aus der Armut.

+++ Die Zahl der neu veröffentlichten Kalabrien-Reiseführer in deutscher Sprache steigt in den Jahren 2000 - 2009 sprunghaft an.

 

   
Aus einer anderen Welt kommt
"Mein calabresisches Tagebuch" von Kurt Gerhard Fischer, erschienen in Darmstadt 1962 in erster Auflage, 1963 in zweiter Auflage. Der Autor lebte einige Jahre in Kalabrien, rund 10 km nördlich von Guardia Piemontese. Auf seinen Ausfahrten durch Kalabrien beschreibt er kulturhistorische Sehenswürdigkeiten. Zugleich sind seine Schilderungen der damaligen Lebensbedingungen und ihrer Ursachen sehr ernüchternd. Offensichtlich litt er stark unter dem geschichtlich bedingten Fatalismus, den er in Kalabrien auf Schritt und Tritt erlebte. In Cariati suchte er die historische Stadtmauer, dann berichtet er aber vor allem von den Bedingungen, unter denen Mädchen am Webstuhl und Jungen in der Töpferei arbeiten und über die Abwässer, die über die Mauer entsorgt wurden. Ähnlich wie nach ihm Bettina Seipp erlebte er Gerace als sterbenden Ort. Eine Kuriosität, was den Lieblingsort der deutschen Urlauber, nämlich Tropea betrifft: Fischer erzählt von einer Gruppe deutscher Jugendlicher, die in ihren Ferien dort durch ihre freizügigen Sitten den Ort durcheinandergebracht hätten, worauf für lange Zeit deutsche Besucher in Tropea nicht gerne gesehen gewesen wären.
Als Professor für Pädagogik und politische Bildung war das Kalabrien von damals für ihn wirklich ein Kulturschock, der ihn zu seinen Bemühungen um politische Bildung in ganz Europa motiviert haben könnte. Seinen Lebensabend verbrachte er dann in der Toskana.
       

500 Jahre Reiseliteratur und Reiseführer
über Kalabrien
Deutsche Reisende in Kalabrien in den vergangenen Jahrhunderten

 

Ein Buch steht besonders für den Übergang vom "alten" zum "neuen" Kalabrien. Im Jahr 1967 erscheint das von Bettina Seipp verfasste Buch Ungehobener Schatz Kalabrien mit gut 100 Seiten im
Verlag Schnell & Steiner.

In einer kraftvollen Sprache schildert Bettina Seipp ihre Reiseerfahrungen und bringt darin durchweg eine positive Haltung zu Land und Leuten zum Ausdruck. "Eines der schönsten und sonderbarsten Gebiete Italiens, mit vortrefflichen Straßen und guten Hotels, und doch bis heute kaum entdeckt, ist tief im Süden Kalabrien..." Recht klar erkennt sie schon damals die Chance der Region, durch Tourismus aus der Armutsfalle herauszukommen. Vor allem in der 1976 erfolgten Fertigstellung des neuen Flughafens Lamezia Terme und im Bau der Autostrada del Sole bis Reggio, in der zunehmenden Zahl von Hotels und von Straßen, welche die beiden Meere verbinden, sieht sie wesentliche Bedingungen für einen Neuanfang des Tourismus in Kalabrien erfüllt.
Sie bescheinigt dann (auf S. 10 der 2. Auflage) der Region Kalabrien "eine nicht mehr für möglich gehaltene Unabgenutztheit von Mensch und Natur" - eine Formulierung, die Ekkehard Rotter dann in seinem Dumont-Kunstführer aufgreift.

Als Bettina Seipp Kalabrien besucht, waren die Bronzen von Riace noch nicht gefunden. In Locri waren die Ausgrabungen gerade im Gange, und Gerace - heute eine der am besten bewahrten alten Städte Italiens - war in den 60er Jahren offensichtlich "ein Ort mit einer aus allen Winkeln hervorsickernden Untergangsschwermut." (S. 46)
Die durch die Emigration verursachte Überalterung der Bevölkerung von Gerace liegt laut Bettina Seipp über der Stadt als "düstere Wolken, die über dieser Untergangsstätte hängen." Kaum zu glauben, dass sie von dem gleichen Gerace spricht, das heute zu den "Leuchttürmen" der Stadtentwicklung in Kalabrien zählt.
Bettina Seipp's Liebeserklärung an Kalabrien gipfelt dann in ihren Worten auf S. 106, wo sie die 'reisende Welt Europas' auffordert, den 'Schatz Kalabrien' zu heben. "Man sollte Kalabrien endlich lieben. Man muss es lieben. Aber Kalabrien lieben ... heißt auch das kalabresische Volk lieben."

Die Exkurse, in denen Seipp sich auf längere Schilderungen einlässt, beziehen sich vor allem auf historisch bedeutsame Orte der Antike. Die soziale Not der Bevölkerung bleibt trotz einiger Ausführungen zu Emigration usw. abstrakter Hintergrund einer hoffentlich besseren Zukunft. So lässt sie auch die Themen Torre Melissa (Bauernaufstand) und den gesamten Bereich der N'drangheta unerwähnt, möglicherweise auch aus strategischen Gründen, um die alten Vorurteile nicht wieder in den Vordergrund treten zu lassen.

       
    Der Große Polyglott Italien von 1981 orientiert sich noch am alten Sternesystem der Sehenswürdigkeiten. Bei den drei vorgestellten Reiserouten, die Kalabrien betreffen, findet sich keine einzige Sehenswürdigkeit "ersten Ranges" (drei Sterne), und auch die "bedeutenden" Sehenswürdigkeiten sind sparsam vertreten (Sila-Gebirge, Codex Purpureus in Rossano und Museo Nazionale della Magna Graecia in Reggio di Calabria).
Als "sehenswert" (ein Stern) sind immerhin 28 Orte kategorisiert. Interessant dabei ist, dass beispielsweise Paola, Catanzaro, Sibari und Serra San Bruno überhaupt keinen Stern erhalten. Mit dem "Große Polyglott Italien" ist die alte Generation von Reiseführern, die sich an Baedeker orientiert und vor allem auf den kunsthistorisch gebildeten Reisenden abheben, an ihr Ende gekommen.
Immerhin stellen die Verfasser fest, dass sich das Italienbild gewandelt hat: Nord- und Mittelitalien sind durch die Industrialisierung praktisch "europäisiert" und haben damit etwas von ihrer Ursprünglichkeit verloren. Hier wird auch das Nord-Südproblem Italiens "mit speziellen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Aspekten" angesprochen. Der Abschnitt über die Mezzogiorno-Problematik entdet mit der klugen Formulierung "Der gesamte italienische Süden befindet sich im Umbruch, wirtschaftlich und sozial."
       
  Mit Hans Bausenhardt's Reisehandbuch Süditalien, erschienen im
Verlag Martin Velbinger 1983
verändert sich die Perspektive. Unbelastet von strengen kulturhistorischen Vorgaben erfährt der (Rucksack)Reisende Land und Leute so wie sie der Verfasser erlebt und in einer teils flapsigen Sprache weitergibt. Jetzt wird die Region nicht mehr einem weltweit gültigen Bewertungssystem unterworfen (bei dem sie eher weniger gut weg kam), sondern die Erfahrung des Reisenden selbst ist der Maßstab der Dinge. Eindrücke - auch subjektive - werden geschildert, Wanderungen werden beschrieben, auch dort, wo noch nie ein Wegweiser stand, mit einem Flair von Abenteuer- und Entdeckertum. Dabei zeigt sich Bausenhardt's Vorliebe für bestimmte Zonen, beispielsweise den Pollino. Mit dem Pollino-Gebirge leitet Bausenhardt die rund 100 Seiten (von ca 400 insgesamt) über Kalabrien ein.
Zur Erscheinungszeit des Reiseführers sind die Bronzekrieger von Riace bereits entdeckt und werden deshalb auch von Bausenhardt erwähnt.
Ausführlich geht Bausenhardt auf die Sozialgeschichte Kalabriens ein (S. 262 und 267) .
Interessant sind die Sicherheitsempfehlungen für Reisende:
In den 80erJahren gab es im Aspromonte einige spektakuläre Entführungen mit Lösegeldforderungen, deshalb war die Vorsicht durchaus berechtigt, beispielsweise, wenn Bausenhardt rät, im Aspromonte nachts nicht unterwegs zu sein und Warnungen von Einheimischen ernst zu nehmen.
Insgesamt hat Bausenhardt einen recht nüchternen und kritischen Blick auf Kalabrien und die Kalabresen.


       
 

Mit dem
Reisehandbuch Kalabrien
- Basilikata
,
erschienen in der ersten Auflage im Jahr 2003, greift
Peter Amann
mit dem
Reise-Knowhow-Verlag

diesen Stil auf und kultiviert ihn. Man merkt Peter Amann an, dass er die Breite der sozialen und kulturellen Wirklichkeit im Blick hat und auch die kleinen Dinge am Rande für wertvoll erachtet. Dafür hat der Reiseführer rund 400 Seiten. Die zahlreichen Exkurse und ausführlichen Zitate machen den Reiseführer zum Lesebuch .
Peter Amann gehört - wie Bettina Seipp - zu den "Überzeugungstätern", die überzeugt sind, dass Kalabrien zu den Schätzen gehört, die unbedingt noch zu entdecken und zu heben sind. Ihm liegt deshalb vor allem daran, den Blick zu weiten auf eine "neue Realität" hin, weg von den alten Stereotypen Mafia, Armut und Unterentwicklung.

In seinem Vorwort - das in der 2008 erschienen farbigen Neuauflage gleichgeblieben ist - schreibt Amann:.

"Der Süden Italiens besitzt Reichtümer, die der wirtschaftlich entwickeltere Norden
längst verloren hat: eine weitgehend intakte Natur, trotz einiger Bausünden eine immer noch traumhafte Küste, genuine landwirtschaftliche Produkte und eine abwechslungsreiche Regionalküche, Weine, die sich immer stärker auch auf dem internationalen Markt behaupten, traditionelles Handwerk, lebendiges Brauchtum und die natürliche Gastfreundschaft seiner Menschen."

Einzelreisende schätzen nicht zuletzt die detaillierten Angaben auch im Kleinen, was den öffentlichen Nahverkehr betrifft.

Die letzte aktualisierte Neuauflage erschien im Jahr 2016.


       
   

Ebenfalls 2003 erscheint im
Goldstadt-Verlag
der Reiseführer Kalabrien
von Eckart Diezemann

mit ca 250 Seiten. Auf den ersten Blick fallen die guten Farbfotos auf. Das Buch ist unaufgeregt solide und übersichtlich strukturiert: Es finden sich 16 Themenkästchen, 11 Tourenbeschreibungen und 8 Sehenswürdigkeiten (Scilla - Nationalmuseum Reggio - Pentedattilo - Sibari - Gerace - Stilo - San Marco/Rossano - Isola Bella/Tropea).
Auf den Seiten 14 - 18 bietet Diezemann eine Einführung in Land und Leute, wobei die aus "Die Italiener" von Luigi Barzani zitierte ganzseitige Charakterisierung der Nord- und Süditaliener ein wenig gewagt scheint.
Ganz aktuell spricht Diezemann die neue Herausforderung der afrikanischen und osteuropäischen Einwanderung nach Süditalien und die damit verbundenen Probleme an. Diezemann ringt sich dann am Ende seiner Einführung zu einem Kompliment durch: "Die unglaubliche Schönheit Kalabriens mit seinem kristallklarenMeer, seinen wildromantischen Landschaften, der freundlichen Art seiner Bewohner, der guten Küche und - last but not least - der Sicherheit der Besucher wird der Region zunehmend Wohlstand bescheren - ein Land im Aufbruch."
(S. 19)

  Zwei weitere Reiseführer sind in Umfang und Aufmachung miteinander vergleichbar:
Ilona Wittens Dumont-Reisetaschenbuch Kalabrien
(2001) und der
Reiseführer Kalabrien & Basilikata von Annette Krus-Bonazza
,
erschienen ebenfalls 2001 im Michael-Müller-Verlag.
Anette Krus-Bonazza stellt in ihrem Vorwort fest:
"Kalabrien ... ist zwar keine 'leichte Touristenkost', aber trotzdem oder vielleicht sogar gerade deswegen eine Reise wert. Nicht zuletzt sind es die Begegnungen mit den hier lebenden Menschen, die Freundlichkeit und die als sacra - heilig erachtete Gastfreundschaft, die eine Reise ans 'Ende Italiens' zum unvergesslichen Erlebnis machen."

Welch neuer Ton im Vergleich zu den Reisenden voriger Jahrhunderte, die vor allem die Natur schätzten und die Menschen in Kalabrien allenfalls bedauerten!
Krus-Bonazza tritt darüber hinaus den verbreiteten Vorurteilen vehement entgegen und konstatiert eine gewisse Aufbruchsstimmung in Kalabrien (S. 20) Wie bei Amann sind bei beiden Reisebüchern zahlreiche Exkurse zu wichtigen Themen zu finden, und wie er verzichten beide auf die Sterne-Bewertung von Sehenswürdigkeiten.
 
     
  Und dann gibt es in den letzten Jahren einige kleine Reiseführer für den "Normalverbraucher"  
 

Peter Amann verfasste für Merian live! ein 125 Seiten-Buch Kalabrien , mit den "Merian-Top Ten" und den "Merian-Tipps". Damit kehrt die Sternebewertung von damals für den Normalreisenden in neuer Form zurück.
Zu den "Top Ten" von Kalabrien zählt Amann: Capo Bruzzano - Altomonte - Morano Calabro - Grotta del Romito - Fiumara Amendola - Gerace - Bronzen von Riace im Museo Nazionale in Reggio -Sila - Rossano - Capo Vaticano.
Spezielle Hinweise erfolgen - entsprechend dem Trend - für Familien mit Kindern, die persönlichen Erfahrungen des Autors werden zu (Geheim)"Tipps".

Trotz der Kürze nimmt sich Amann Zeit für ein Vorwort und schreibt auf S.6: <

"... Kalabrien ist auch der menschlich warme Süden Italiens, mit einer Gastfreundschaft, die häufig beschämt. Und schließlich besitzt Kalabrien Reichtümer, die wirtschaftlich entwickeltere Regionen des Nordens längst verloren haben: eine weitgehend intakte Natur, Zeit, Raum und Ruhe."

       
   

Ebenfalls aus der Feder von
Peter Amann
stammt der
Marco-Polo-Reiseführer Kalabrien
.
Hier kommt zur Abwechslung der Autor einmal in Interview-Form zu Wort (s.127).
Aus "Top Ten" werden hier nun 15 "Highlights", dabei tauscht Amann einige Sehenswürdigkeiten aus, die er im Merian-live-Büchlein zu den Top Ten gezählt hat. Zusätzlich nennt Amann hier: Raganello - Cosenza - Lungomare in Reggio - Pentedattilo - Stilo und Le Castella. Aus den "Merian-Tipps" werden 15 "Insider-Tipps". Die Aufmachung ist auf ein junges bzw. junggebliebenes Publikum ausgerichtet. Jedesmal von Neuem gerät Amann ins Schwärmen, wenn er über Kalabrien erzählt, hier auf den Seiten 6-11.

Die 8. aktualisierte Auflage erschien 2019.

       
    Zu den "Kleinen" zählt schließlich auch der
Polyglott ontour
Apulien - Kalabrien
von Monika Pelz

mit 104 Seiten, der dann aber doch mehr über Apulien und weniger über Kalabrien bringt. Monika Pelz bedient sich - in der Knappheit sicher ein hilfreiches Instrument - der alten Sternebewertung der Sehenswürdigkeiten. Trotz einiger guter Exkurse kann vieles in der Kürze nicht oder kaum angesprochen werden.

Eine Neuausgabe erschien 2019 "Apulien, Kalabrien und Basilikata", verfasst von Stefan Maiwald und Monika Pelz.
       
 

Mit dem
Dumont-Kunstreiseführer Kalabrien Basilikata

tritt nun ein absolutes Schwergewicht an.
Ekkehard Rotter
,
Bildungsmensch durch und durch, beginnt sein fast 400 Seiten umfassendes Opus mit einem Zitat von Friedrich Leopold von Stolberg aus dem Jahr 1792, der Kalabrien als "schönste Provinz des schönen Italien" bezeichnet, und das trotz vielschichtiger Erfahrungen dort. Was Stolberg am Ende zu diesem Urteil bewegt, ist die hinreißende Landschaft und die Gastfreundschaft der Menschen.

Rotter schwelgt nun gleich zu Anfang zwei Seiten lang in seiner Schilderung eines "entrückten Europa, eines nicht mehr für möglich gehaltenen Italien."
Neben den allgemeingeschichtlichen und kulturhistorischen Ausführungen nimmt sich Rotter Zeit für erzählende Exkurse und längere Zitate, die das Lesen zum Vergnügen machen. Wenn er religiöse Eigenheiten beschreibt (die uns tatsächlich recht fremd erscheinen mögen) kann er gelegentlich eine gewisse Überheblichkeit des Mitteleuropäers nicht immer verleugnen. Wo Bettina Seipp noch unbefangen bewundert, wird Rotter gelegentlich ironisch.
Das Buch ist tatsächlich ein Meilenstein, weil es gut aufbereitet die Ergebnisse der archäologischen Forschungen der letzten Jahrzehnte in Kalabrien verarbeitet und zugänglich macht. Nicht umsonst wurde es von ENIT (Ital. Tourismusorganisation) im Jahr 2003 zum besten deutschsprachigen Italienreiseführer gewählt.

       
   

Im Jahr 2010 veröffentlicht Ilona Witten ein neues Dumont-Reise-Taschenbuch Kalabrien (€14,95).
Mit 10 Entdeckungstouren setzt sie folgende Schwerpunkte: Guardia Piemontese/Waldenser, Arberia - albanische Kultur in Kalabrien, Lakritze in Rossano, Sibari, Le Castella, Wein in Cirò und Val di Neto, Sarazenentürme Capo Vaticano, Serre/S. Bruno, Ethnografisches Museum Palmi, Lipari-Inseln.
Hervorzuheben ist, dass sie nicht bei der Analyse und Beschreibung der N'drangheta/kalabr. Mafia (S. 68/69) stehen bleibt, sondern ebenso viel Raum den Initiativen im Kampf gegen die Mafia widmet.
Auf neuestem Stand sind nicht nur die touristischen Angaben, sondern auch die Geschichtstafel (S. 42-45)


       
    Nicht wirklich ein Reiseführer und doch ein Klassiker für Kalabrienliebhaber:
Die Königin der drei Brüste, in ein gefälliges Deutsch übersetzt von Julia Jäger und erschienen 2000 bietet zu unzähligen Orten Kalabriens Geschichte und Geschichten.

"Erfahren Sie mehr über ... Bronzefiguren aus dem Meer, von Teufeln Dämonen und Werwölfen, über Riten, Bräuche, Feen, Drachen und Hexen, über Allheilmittel, Madonnen, Gespenster, Wunder und Monster. Lesen Sie von der Königin der drei Brüste und anderen Heiligen, über Mythen, Legenden, Anekdoten, Mysterien, Gottheiten und Persönlichkeiten, teils illustriert und von Julia Jäger interpretiert
." (Karl-Heinz Hänel)
   

 

 
    Als Brücke zwischen dem deutschen Sprachraum und Kalabrien ist 2002 das regional ausgerichtete Lese- und Reisebuch Sila Greca - Sila Ionica entstanden. Kinder und Enkel der "Gastarbeiter"-Generation können durch dieses Buch mehr erfahren über die ursprüngliche Heimat ihrer Familie. Außerdem eröffnet das Buch dem deutschsprachigen Publikum einen Zugang zur ursprünglichen Schönheit und Gastfreundschaft dieses Landstrichs im Abseits der großen Verkehrs- und Touristenströme. Wie unter einer Lupe wird auch die kleinste Gemeinde in der Sila Greca vorgestellt. Das Besondere des Projekts: Zahlreiche kalabresische Familien, die in Deutschland leben, haben unter der Federführung des Autors Thomas Raiser mit Geschichten, Zeichnungen und Materialsuche zur Entstehung des Buches beigetragen. Für das Buch wurde eigens der Verlag edition semplicità gegründet - es blieb aber bisher auch das einzige Buch des Verlages.
     
       
   

Auch das Buch Ein Europäer aus Kalabrien. Biografisch-spirituell-touristischer Begleiter auf den Spuren von Franziskus von Paola, verfasst von Thomas Raiser, will eine Verbindung schaffen zwischen Kalabrien und dem deutschen Sprachraum. Anknüpfungspunkt ist hier Franz von Paola, dessen Paulanerorden vor rund 500 Jahren auch Klöster in München und Wien hatte, und das Paulanerbier, das nach den Paulanermönchen benannt ist.
Über sein Leben wird in diesem kleinen Buch Historisches und Legendäres spannend erzählt; schließlich galt er als großer "Wundertäter", was in Kalabrien bis heute nachwirkt. Die Sehenswürdigkeiten seiner Heimatstadt Paola sind ausführlich beschrieben. Nicht zuletzt werden eine Wanderung auf den Spuren des kalabresischen Mönchs auf die Höhen des Küstengebirges sowie ein Kochrezept in der Tradition der Paulanermönche vorgestellt. Eine geplante Kooperation mit der Brauerei ließ sich nicht verwirklichen; dennoch lesen sich Lebensgeschichte und Reiseteil unterhaltsam nicht nur für Bierfreunde. Das Buch erschien 2007 im Verlag editoriale progetto 2000 in Cosenza/Kalabrien und wurde wegen seines hohen Informationswerts von der Region Kalabrien finanziell unterstützt. Im Reiseführer Kalabrien-Basilikata von Annette Krus-Bonazza als Lektüre empfohlen für alle, die sich für Paola und die Paulaner interessieren.

       
       
   

Nach dem ersten Erscheinen im Jahr 2012 ist nun im Februar 2018 die zweite überarbeitete Auflage erschienen: Der Rother-Wanderführer Kalabrien erschließt für Wanderfreundinnen und - freunde die schönsten Winkel Kalabriens.

- zur ausführlichen Besprechung -

       
   

Im Jahr 2015 ist eine dritte völlig neu überarbeitete Auflage von Ilona Wittens Dumont-Führer Kalabrien erschienen. (2017: 4. Auflage)
Er ist nicht nur aktueller, sondern mit 40 Seiten mehr auch umfangreicher als sein Vorläufer, und auch die Themen haben sich weiterentwickelt. Ilona Witten zeigt mit schönen Fotos versehen ihre "Lieblingsplätze" und nennt schon auf dem Umschlag als zehn Highlights Guardia Piemontese, die albanische Kultur in Kalabrien, das Lakritzmuseum in Rossano, Sibari - Ausgrabungen und Museum, die Festung Le Castella, Weinbau in Cirò und dem Neto-Tal, die Sarazenentürme von Capo Vaticano, auf den Spuren des hl. Bruno in den Serre, Bräuche und Feste bzw. ethnografisches Museum Palmi und Lipari-Insel.

 

       
    Im Jahr 2016 erschien nun der Reiseführer von Annette Krus-Bonazza im Michael-Müller-Verlag in 6. und ganz neu überarbeiteter Auflage. Von den rund 340 Seiten (Zum Vergleich: Die 1. Auflage 2001 umfasste 100 Seiten weniger) befassen sich ca 180 Seiten mit Kalabrien. Gleich nach dem Inhaltsverzeichnis gibt Annette Krus-Bonazza einen kleinen Überblick über die Besonderheiten der verschiedenen Provinzen. Neu ist, dass auch Orte in Ostkalabrien, die bisher nicht im Rampenlicht standen, mehr Berücksichtigung finden wie zum Beispiel Cirò S. 279, Torre Melissa-Strongoli und nicht zuletzt Cariati, das erstmals in einem deutschsprachigen Reiseführer eine ganze Seite erhält (S. 212). Ausführlich auch die Doppelseite über den Schriftsteller Carmine Abate S. 284+285.
Die 7. Auflage erfolgte im Jahr 2019, die 8. Auflage 2023.
       
   


Der kleine Führer von Daggi Geiselmann "Kalabrien entdecken", erschienen im Februar 2018, ist ein recht persönliches Bekenntnis zu Kalabrien, wo die Autorin seit 26 Jahren lebt und nach eigener Aussage in ihrer Ecke "jeden Stein kennt". Beschrieben werden ihr Wohnort Gioia Tauro, Reggio, Scilla, Tropea und einige Orte an der ionischen Küste (Roccella Ionica und Soverato). Besonders interessant ist, wenn sie über ihre Ankunft und über ihr Leben in Kalabrien erzählt oder über die Erfahrungen im Zusammenhang mit der vulkanischen Aktivität des Stromboli. Die Autorin bietet im Buch bereitwillig ihre Unterstützung bei Planung und Durchführung von Urlaub in Westkalabrien an.

       
   

 

Eher exotisch erscheint ein kleiner Reiseführer über den kleinen Ort Terravecchia mit gerade mal 900 Einwohnern, verfasst vom Bürgermeister und Ortshistoriker Mauro Santoro und 2017 übersetzt ins Deutsche von Thomas Raiser. Immerhin gibt es dort ein Restaurant ("L'orrizzonte") mit traumhaftem Meerblick, drei Bars und hoffentlich bald auch einer Möglichkeit zu übernachten ...
Kuriosität am Rande: Der Bürgermeister lädt im Reiseführer ein, eines der alten leerstehenden Häuschen zu kaufen als Feriensitz.

       
   


Die Autorin Christiane Möschle begleitet Lucia, Lebensmittelhändlerin in Karlsruhe, bei einer Reise in Lucia's Heimat Kalabrien. "Der Duft Kalabriens", Panima-Verlag, ist kein Reiseführer im klassischen Sinne, es ist Reiseliteratur, 'ein Buch der Begegnungen'.

"Einfühlsam erzählt Christiane Möschle die Geschichte von Lucia, ihrer Mutter Giovanna und ihrer Großmutter Carmela, deren Leben nicht unterschiedlicher hätte sein können und sich trotzdem bedingt. Sie ergründet das Motiv des Auswanderns, erzählt von den ersten Erfahrungen in der neuen Welt, aber sie beleuchtet auch die Geschichte Süditaliens mit all ihren Facetten, der jahrtausendelangen Eroberung und Unterdrückung, der Armut und der daraus resultierenden gesellschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklung.
...
Mit ihren aussergewöhnlichen Fotografien fängt Christiane Möschle den Zauber der Landschaft und Orte Kalabriens und Apuliens auf magische Weise ein und nimmt uns mit auf ihre sinnliche Reise durch ein von Naturgewalt und kulinarischen Genüssen, Düften und Farben geprägtes Land zu den Seelen der Menschen."
(Text: Verlag Panima)

Das Buch, das sich angenehm und durchaus spannend lesen lässt, beschränkt sich auf einige wenige Orte im Norden Kalabriens, insbesondere Castrovillari und Frascineto, ist dennoch eine unterhaltsame und zugleich sehr informative Einführung in Geschichte und Gegenwart der ganzen Region und ihrer Menschen. Interessant auch, wenn sie aus den Reisebeschreibungen früherer Zeiten zitiert (Norman Douglas, F.L.Graf zu Stolberg, Bettina Seipp).

   

 

Ilona Witten, die bereits 2001, 2010 und 2015 einen Dumont-Reiseführer Kalabrien bzw. jeweils eine überarbeitete Neuauflage veröffentlicht hat, legt nun 2022 ein Dumont-Reise-Taschenbuch Kalabrien vor, das wirklich neue Akzente setzt. Zu nennen wären eine frische Aufmachung, mit Interviews z.B. mit dem Schriftsteller Carmine Abate und kurzen Essays welche die Gegenwart Kalabriens erhellen und verständlich machen. Hinweise und Links zu vielen Orten und Themen machen das Buch zu einer Fundgrube, z.B. was Angaben zu öffentlichen Verkehrsmitteln betrifft, dann beschreibt sie Wanderungen zu Fuß oder mit dem (E-)Bike, der Trend zu Pilgerwegen wird berücksichtigt, die Geschichte Kalabriens wird prägnant und übersichtlich vorgestellt, das neue Kalabrien kommt in den Blick. Schließlich benennt sie Lieblingsorte, die nicht unbedingt touristische Highlights sein müssen. Noch nicht enthalten sind Orte wie San Martino di Canale bei Pietrafitta, ein erst vor kurzem renoviertes Florenserkloster, und die imposante Klosterruine S. Maria di Corazzo bei Castagna/Carlopoli.

 

 
Der von Thomas Raiser im April 2024 im Verlag Edizioni Pubblisfera erschienene Wander- und Pilgerführer "Joachimswege in Kalabrien" entführt in ein weitgehend unbekanntes Kalabrien und beschreibt Orte und Landschaften, die bisher in keinem deutschsprachigen Reiseführer zu finden sind. Für ein Reisebuch ungewöhnlich: Joachim von Fiore, Mönch, Bibelkenner, Ordensgründer, Denker über den Sinn der Geschichte erzählt sein Leben. Außerdem: Impulse für ein vertieftes Unterwegssein. "Joachimswege in Kalabrien" ist in Kooperation mit Vereinen in Kalabrien entstanden.
   


Eine Überraschung: Das Buch von Ellen Holetzke, die ihre 15 Jahre Erfahrung mit Reisegruppen in Kalabrien in einem Buch festgehalten hat. Auf 328 Seiten erzählt sie von einer einwöchigen Tour durch den Süden Kalabriens, in einer sympathischen und zugleich kompetenten Sprache, spannend zu lesen, vor allem, wenn man einige der besuchten Orte kennt, und durchaus als ergänzender Reise- bzw. Wanderführer zu verwenden. Spannend auch ihre Beschreibungen der Charaktere der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die das Buch lebendig und amüsant machen. Der Titel „Kalabrien … Schritt für Schritt … Die Magie der Einfachheit“ ist wirklich treffend: „Semplicità“, Einfachheit ist tatsächlich eine positive Eigenschaft, mit der sich Kalabresen öfter selber beschreiben.

       
   

Kalabrien ist zunehmend bekannter im deutschen Sprachraum. Entsprechend gibt es auch mehr und vielfältige Literatur zu Kalabrien.

 
       
   

Im von Zera Cantrell (es handelt sich wohl um eine Reihe von Reiseführen unter diesem Namen, ohne dass näher gesagt wird, wofür dieser Name steht) herausgegebenen „Kalabrien Reiseführer 2025“ finden sich hilfreiche Hinweise überwiegend zu den bekannten Orten im mittleren westlichen und südlichen Kalabrien: Tropea und Capo Vaticano, Reggio di Calabria, Pizzo, Gerace und Locri, Scilla, Diamante, aber auch interessante Infos zu Siderno, Bagnara und Palmi sowie zu den Landschaften des Aspromonte, der Serre und der Sila. Nicht ausgespart wird das Weltkulturerbe des „Codex Purpureus“ von Rossano, entstanden um 500 n. Chr., mit faszinierenden Miniaturen biblischer Szenen. Neben einigen allgemeinen Infos zu Kalabrien trifft man auf viele konkrete und hilfreiche Tipps, was Unterbringung und Gastronomie, Festivals und Strände und vor allem (kunsthandwerkliche) Märkte betrifft, die den doch ordentlichen Preis für ein Büchlein von 157 Seiten ohne Karten, Illustrationen und Fotos rechtfertigen. Kleine Korrekturen: Die Weinkellerei Iuzzolini befindet sich nicht in Lamezia Terme, sondern in Cirò Marina am Jonischen Meer. Das Busunternehmen Sogas deckt nur einen kleinen Teil Kalabriens ab; viele andere Unternehmen bieten insgesamt doch teils passable Verbindungen, leider in der Regel nicht am Sonntag. Als Einstimmung für Neulinge ist das Büchlein durchaus hilfreich; wer tiefer eintauchen möchte, wird zusätzlich einen Reiseführer benutzen, der Kalabrien in seiner Ganzheit in den Blick nimmt.

       
    Irritierend ist, dass unter dem gleichen Titel gleichzeitig ein Buch unter dem Namen Zeke C. Xenia erschienen ist.
     
    Nachdem in den Jahren 2000 bis 2010 eine ganze Reihe neuer Kalabrien-Führer erschienen ist, sind seit 2010 nur aktualisierte Neuauflagen einiger bereits vorliegender Reiseführer sowie der Rother-Wanderführer Kalabrien zu registrieren; über Kalabrien scheint offensichtlich das Notwendige vorerst gesagt bzw. geschrieben. Die Neuauflagen zeigen aber auch, dass Kalabrien im deutschsprachigen Raum auf zunehmendes Interesse stößt.
 

 



Thomas Raiser